Wir haben keine eigene Flagge!

Während es bei Einigen ungläubiges Staunen auslöste, konnte Andere überhaupt nicht verstehen, warum man auf so eine Idee kommen kann. Südbaden hat keine eigene Flagge!
Im Vorfeld der DM in Mühlenbach wurden die Aufgaben verteilt. Flagge es Landes BadenEin Kollege erhielt die Aufgabe, sich um die Flaggen für die LO’s zu kümmern. Der nahm wie selbstverständlich an, dass jede LO auch mit einer eigenen Flagge gewürdigt wird. Bei einem der Treffen, die in größerer Runde stattfand, trug er vor, dass er jetzt zwar vom ASV Tuttlingen die Flaggen erhalten habe, dass die offensichtlich aber noch nicht vollständig seien. Südbaden fehle, aber da hätten wir eine eigene, und welche Flagge Nordbaden hätte, wüsste er auch nicht. Erst die verwunderte Frage unseres Bürgermeisters, ob er das ernst meine, ließ erste Zweifel an der These aufkommen „Ein Landesverband = eine Flagge“. Um es abzukürzen: Die südbadische Flagge ist auch die Nordbadische. Und offiziell ist sie auch nicht. Genauso wenig wie die württembergische Flagge. Alle drei Landesverbände laufen unter der „Baden-Württemberg“-Flagge ein. Der gleiche Sachverhalt trifft übrigens auch für die Landesverbände aus Rheinlandpfalz zu. Die Pfalz, Rheinhessen und das Rheinland werden der politisch korrekten Flagge von Rheinlandpfalz zugeordnet. Alle anderen Landesverbände haben eigene Flaggen.

Flagge des Königreiches Württemberg


Aber warum ist das so? Dazu müssen wir die Geschichte dieser Region genauer betrachten. Vor 100 Jahren war das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg Teil des 1871 unter Führung Preußens gegründeten II. Deutschen Reiches. Innerhalb des Reiches genossen die einzelnen „Staaten“ eine gewisse Autonomie mit eigenem Parlament und einem eigenen Herrscher. Als schließlich das Kaiserreich mit der Niederlage im ersten Weltkrieg zusammenbrach, blieben die „Länder“ erhalten. Nach dem Krieg des 1000-jährigen III. Reiches (1933-1945) wurde Deutschland von den Alliierten in Besatzungszonen aufgeteilt.

Der südliche Teil Württembergs wurde zusammen mit dem südlichen Teil Badens von den Franzosen besetzt, während Nordwürttemberg und Nordbaden von den Amerikanern besetzt und als „Württemberg-Baden“ verwaltet wurde. Grenzschild an der Grenze zur Republik BadenNachdem die Alliierten den Sportbetrieb und die Sportverbände wieder zuließen, wurde der Sportbetrieb von den Deutschen auch schnell wieder aufgenommen. Allerdings waren Nordbaden und Südbaden zwei unterschiedlichen Besatzungsmächten unterstellt. Damit entstanden Sportverbände für Südbaden und für Nordbaden.

Den Besatzungsmächten haben wir übrigens auch unsere Radiosender zu verdanken. In jeder Zone richteten die Besatzungsmächte ihre eigenen Sender ein. Die Franzosen errichteten ihren Sender in Baden-Baden und versorgten damit ihr Besatzungsgebiet (das entsprach dem heutigen Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Rheinlandpfalz). Der Sender erhielt später den Namen „Südwestfunk“ (SWF). Erst mit der Vereinigung mit dem von den Amerikanern für Württemberg-Baden gegründete Süddeutschen Rundfunk (SDR) entstand 1998 der Südwestrundfunk (SWR).

Der Südwesten brauchte nach dem Krieg einige Jahre, bis das heutige Baden-Württemberg entstand. Neben mehreren Varianten stand schließlich Ende 1951 der Volksentscheidung in den ehemaligen Besatzungsländern Baden (das heutige Südbaden), Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden an. Die Mehrheit der Wähler entschied sich für eine Vereinigung der Länder mit Stuttgart als Hauptstadt und Baden am Anfang des neuen Landesnamens. Die separatistischeren Südbadener hatten zwar mehrheitlich dagegen gestimmt, aber das änderte am Gesamtergebnis nichts mehr. Für viele „Patrioten“ wird das heute noch wie ein Stachel im Fleisch empfunden. Während in Württemberg der Zusammenschluss der Sportverbände durchgeführt wurde, überlebte die nach dem zweiten Weltkrieg geschaffene sportpolitische Einteilung in Baden bis heute.

Situation 1945-1952 (Quelle Wikipedia)

Deutlich sichtbar wird dieser Lokalpatriotismus im Sport gefeiert, wenn z.B. der SC Freiburg zu jedem Heimspiel das Abspielen des Badener-Lieds zelebriert. Aber auch in der Ringerwelt leben die Unterschiede bis heute weiter. Zumindest hier scheint die Aufteilung durchaus gerechtfertigt, denn sie bildet die Leistungsdichte innerhalb Deutschlands ganz gut ab.
Zwar wird heute bei vielen sportlichen Veranstaltungen die Flagge des ehemaligen Großherzogtums Baden gezeigt. Flagge Baden-WürttembergBei Deutsche Meisterschaften wird aber politisch korrekt eben nur die „Baden- Württemberg-Flagge“ verwendet, zumal Südbaden und Nordbaden trotzdem die gleiche Flagge hätten.

Klaus Armbruster, 24.04.2011